Unser Gesundheitsthema

Wieder gut leben mit weniger Schmerzen

Der Schmerzschrittmacher macht‘s möglich

Patienten mit chronischen Schmerzen haben meist einen langen Leidensweg hinter sich und können teilweise nur noch mit stärksten Schmerzmitteln überhaupt am Leben teilnehmen. Die Neurochirurgie am Klinikum Traunstein bietet für Menschen mit chronischen Schmerzen ein vielfach erprobtes Verfahren: den Schmerzschrittmacher. Der Oberarzt der Neurochirurgie, Moritz Faß, erklärt, wie ein schmerzreduziertes Leben gelingen kann.

Herr Faß, wie entsteht Schmerz überhaupt und wie arbeitet der Schmerzschrittmacher?

Moritz Faß: An Schmerzen kann man sich nicht gewöhnen und chronische Schmerzpatienten reagieren auch viel sensibler, denn chronischer Schmerz baut sich auf und verstärkt sich mit der Zeit selbst. Von chronischen Schmerzen spricht man, wenn anhaltende Schmerzen länger als 3 bis 6 Monate bestehen. Wichtig zu verstehen ist, dass im Gehirn selbst kein Schmerzreiz entsteht, sondern immer irgendwo im Körper. Diese Schmerzreize werden dann über die Nerven, die wie elektrische Leitungsbahnen sind, zum Gehirn weitergeleitet und dort in verschiedenen Zentren verarbeitet und bewertet. So entsteht dann die Wahrnehmung, dass „etwas weh tut“.

Der Wirkmechanismus des Schmerzschrittmachers ist, vereinfacht dargestellt, dass die Nerven durch elektrische Impulse daran gehindert werden, den Schmerz an das Gehirn weiterzuleiten.

Ziel ist es, mit dem Schmerzschrittmacher die Schmerzreize, die im Gehirn ankommen, in ihrer Intensität und in ihrem Charakter zu verringern. Dadurch „beruhigen“ sich die Areale im Gehirn, in denen die Informationen verarbeitet werden, auf Dauer auch wieder. Das ist wie eine Art Filter, der vorgeschaltet wird. Einen Schalter zur kompletten Ausschaltung des Schmerzes gibt es leider nicht. Aber durch die Filterwirkung des Schmerzschrittmachers kann man den Schmerz häufig so stark verringern, dass man wieder gut leben kann.

Für wen und welche Krankheitsbilder ist der Schmerzschrittmacher geeignet?

Moritz Faß: Hier nur einige Beispiele, bei denen der Schmerzschrittmacher helfen kann: Da wären arterielle Verschlusskrankheiten in den Beinen. Da ist der Erfolg, dass man aufgrund des verringerten Schmerzes wieder besser laufen kann und sich auch die Durchblutungssituation in den Beinen verbessern kann.

Ein anderes Krankheitsbild mit sehr guter Schmerzreduktion ist das chronisch regionale Schmerzsyndrom, ausgelöst etwa durch eine Verletzung oder nach Operationen. Es gelingt dadurch häufig, Funktion und Bewegung zu verbessern. Auch bei Phantomschmerzen nach Amputationen wird das Verfahren eingesetzt.

Bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen oder nach Bandscheibenvorfällen sowie nach Operationen an der Wirbelsäule, die bleibende Schmerzen haben, wird das Verfahren häufig mit einem guten Ergebnis eingesetzt.

Auch Polyneuropathien, zum Beispiel als Folge von Diabetes, können positiv beeinflusst werden.

Aber man muss wissen, dass diese Methode nicht für jeden Schmerzpatienten geeignet ist. Darum arbeiten wir auch so eng mit den Schmerztherapeuten der KSOB und mit den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen zusammen. Das Netzwerk, dass wir dafür aufgebaut haben, reicht von Traunstein bis nach München. Wir besprechen dabei die Patienten gemeinsam, um zu sehen, ob der Patient oder die Patientin auf dieses Verfahren ansprechen könnte, oder ob sie die Schmerzen mit anderen Möglichkeiten in den Griff bekommen können. Da spielen sehr viele Faktoren hinein und wir sehen uns den Menschen als Ganzes an. Wichtig zu wissen ist, dass die Krankenkassen dieses Verfahren übernehmen, allerdings nach sehr genauer Prüfung.

Kann man auch zuerst ausprobieren, ob diese Technik für die eigenen Schmerzen hilft?

Moritz Faß: Bei vielen Krankheitsbildern wird standardmäßig eine Vorab-Testphase für die Dauer von ein bis zwei Wochen vorgeschaltet. Dabei werden zunächst nur die Elektrodenkabel implantiert und an einen Stimulator angeschlossen, der sich außerhalb des Patienten befindet. Während dieser Testphase gibt es verschiedene Programme, die wir testen und der Patient kann für sich selbst feststellen, ob der Schmerzschrittmacher hilft. Wir sprechen ja generell von Patienten mit chronischen Schmerzen, die eine sehr lange Leidensgeschichte mitbringen und häufig auch negative Erfahrungen mit Operationen haben. Wenn die Patientin oder der Patient feststellt, dass dieses Verfahren nichts für sie ist, können diese Kabel sehr einfach wieder entfernt werden.

Wenn in der Testphase gute Ergebnisse erzielt wurden, wie geht es dann weiter?

Moritz Faß: Wenn die Patientin oder der Patient feststellt, dass es ihnen viel besser geht und die Schmerzen unter der Therapie relevant weniger sind, dann wird der Schmerzschrittmacher implantiert. Von den modernen Geräten, die sehr viele Programme und Stimulationsmöglichkeiten haben, profitieren die meisten Patienten. Wenn das der Fall ist wird der Schrittmacher implantiert und an die Elektrodenkabel angeschlossen.

Wie sieht so ein Gerät aus und wie funktioniert das?

Moritz Faß: Das „Kästchen“ ist ungefähr so groß wie eine etwas größere Brosche und wird unter die Haut implantiert, man hat also keinerlei Geräte, die man mit sich rumschleppen muss. Man kann duschen, baden und sich normal bewegen. Die Elektrodenkabel enden an den Nerven, die zwischen dem Schmerzauslöser und dem Gehirn liegen und das Kästchen gibt elektrische Impulse ab. Bei hochfrequenten Stimulationen verursachen die Impulse keinerlei Schmerzen und die Patientinnen und Patienten spüren davon nichts.

Wie genau verläuft die Implantation und wo wird die Elektrode angelegt?

Moritz Faß: Das „Kästchen“ liegt zusammen mit den Elektroden unter der Haut, also ähnlich wie beim Herzschrittmacher. Die Kabel liegen häufig im Spinalkanal, in der Nähe des Rückenmarks, in manchen Fällen aber auch direkt an einem Nerv, zum Beispiel am Arm oder am Bein. Es werden in der Regel nur zwei oberflächliche Schnitte an der Haut benötigt.

Zunächst legen wir bei den Patienten die Elektroden an und schließen diese an einen Testschrittmacher an, der sich nicht im Körper befindet. Dabei benötigen wir keine Vollnarkose. Wir arbeiten dabei meistens mit einer örtlichen Betäubung und etwas Schlafmittel, denn das ist schonender für die Patienten. Sie sind anschließend etwa zwei Tage stationär in unserem Krankenhaus. Der Schrittmacher wird programmiert und wenn die Patienten mit der Bedienung zurechtkommen, entlassen wir sie nach Hause, damit sie das Gerät zu Hause unter „normalen Bedingungen“ testen können. Nach ungefähr einer Woche kommen die Patienten wieder in die Schmerzsprechstunde, dann werten wir die Testung gemeinsam aus. Wenn sie feststellen, dass es ihnen besser geht, implantieren wir meist einige Tage danach den Schmerzschrittmacher unter die Haut und schließen die Elektroden an. Das dauert nur 30 Minuten und kann ambulant mit einer lokalen Betäubung gemacht werden. Nur in Ausnahmefällen, bei sehr ängstlichen Patienten, benötigt man dafür etwas Schlafmittel.

Wenn sich Schmerzen im Laufe der Zeit verändern, kann man das Gerät dann anpassen?

Moritz Faß: Ja natürlich, wir betreuen die Patienten im Nachgang weiter. Man kann das Gerät anders programmieren und an die Bedürfnisse anpassen. Bei vielen der Patienten passen wir das Ganze so an, dass sie selbst mit einer Fernbedienung die Kontrolle über die Programme und die Stimulationsstärke haben und damit an ihren Alltag anpassen können. Alles sehr individuell eben. Wichtig ist auch, dass das Gerät ersetzt werden kann, wenn zum Beispiel die Batterien nach einigen Jahren am Ende ihrer Lebensdauer sind. Dann kann man einfach das Kästchen austauschen – und viele Patientinnen und Patienten machen das auch gerne, weil sie auf die neue Lebensqualität nicht verzichten möchten.

Wie schaut das „neue“ Leben der Patientinnen und Patienten mit dem Schmerzschrittmacher aus?

Moritz Faß: Wir arbeiten eng mit den Kolleginnen und Kollegen der Schmerztherapie zusammen. Dabei geht es auch darum, dass wir im Verlauf die Schmerzmittel anpassen und wenn möglich auch reduzieren können. Dadurch werden Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen der Schmerzmittel verringert, denn nicht wenige Schmerzpatienten nehmen 3 bis 4 verschiedene Schmerzmittel ein. In einigen Fällen deutlich mehr. Wenn wir es schaffen, mit weniger auszukommen, ist das, neben der besseren Lebensqualität durch weniger Schmerzen, ein nicht zu vernachlässigender Effekt. In den ersten sechs bis acht Wochen nach der Anlage sollten die Patienten etwas zurückhaltender mit körperlichen Aktivitäten. Die Elektroden müssen einheilen und sollten nicht verrutschen. Danach kontrollieren wir die Elektroden und die Einstellungen in der Sprechstunde. Wenn alles in Ordnung ist, gibt es keine Einschränkung für den Alltag der Patientinnen und Patienten. Da das Gerät und die Kabel im Körper „eingebaut“ sind, kann man sogar Schwimmen und Baden gehen. Und weil die Schmerzen weniger sind, können die Patienten sich auch besser bewegen und mehr unternehmen; meist ist viel mehr möglich als vorher. Und das ist, glaube ich, ein absoluter Gewinn für die Patientinnen und Patienten.

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