Unser Gesundheitsthema

Starke Regelschmerzen sind nicht schicksalshaft

Endometriose kann eine mögliche Ursache sein, die auch die Seele belastet

Zum Tag der Endometriose sind wir im Gespräch mit Prof. Dr. Christian Schindlbeck, Chefarzt der Frauenklinik der Kliniken Südostbayern, über Symptome, Ursachen und Diagnose von Endometriose. Außerdem darüber, wie die Gynäkologie auch mit neuen Methoden und Medikamenten helfen kann, und dass schwanger werden auch mit Endometriose möglich ist.

Herr Prof. Dr. Schindlbeck, was genau ist Endometriose und wie viele Frauen sind davon betroffen?

Schindlbeck: Endometriose ist eine chronische Erkrankung, bei der Gewebe, das dem Endometrium, also der Gebärmutterschleimhaut, ähnelt, außerhalb der Gebärmutter wächst. Diese Wucherungen können an verschiedenen Stellen im Bauchraum auftreten, einschließlich der Eierstöcke, der Eileiter und des Gewebes um die Gebärmutter. Es gibt auch die Adenomyose, bei der sich die Gewebe-Herde in der Wand der Gebärmutter selbst befinden. Diese Schleimhaut unterliegt genauso dem hormonellen Einfluss, d. h. dem Zyklusgeschehen, wie die Gebärmutterschleimhaut selbst, nur können diese Herde nicht nach außen abbluten. Dadurch entstehen oft Blut-gefüllte Zysten z. B. am Eierstock, und das umgebende Gewebe reagiert mit einer Entzündung. Endometriose ist keine Randerscheinung, denn es sind bis zu 10% der Frauen im gebärfähigen Alter davon betroffen.

Was sind die Symptome?

Schindlbeck: Viele Frauen berichten von starken Unterleibs-Schmerzen zu Beginn und während ihrer Periode, aber teils auch unabhängig vom Menstruationszyklus. Auch Veränderungen im Stuhlgang oder beim Wasserlassen können auf eine Endometriose hindeuten. Leider herrscht immer noch die Meinung vor, dass das einfach eine Ungerechtigkeit der weiblichen Natur ist. Aber die Frauen sollten dies nicht einfach akzeptieren, sondern zu ihrer Gynäkologin oder ihrem Gynäkologen zur Abklärung gehen. Es ist auch wichtig zu wissen, dass die Schwere der Symptome nicht immer mit dem Ausmaß der Erkrankung korreliert; einige Frauen mit fortgeschrittener Endometriose haben möglicherweise nur milde Symptome, während andere mit minimalen Läsionen erhebliche Beschwerden empfinden.

Welche Ursachen gibt es dafür?

Schindlbeck: Die genauen Ursachen für Endometriose sind noch nicht vollständig geklärt, es gibt jedoch einige Theorien. Die eine besagt, dass während der Periode lebensfähige Schleimhautzellen „rückwärts“ über die Eileiter auch in den Bauchraum geraten und sich dort einnisten können. Eine andere legt eine Abstammung der Zellen von fetalen Stammzellen nahe, die immer schon vor Ort sind. Auch eine Streuung von Schleimhautzellen über die Blutbahn scheint wohl in seltenen Fällen möglich zu sein.  Der hormonelle Einfluss, das Immunsystem oder auch eine familiäre Belastung spielen eine gewisse Rolle.

Wie kann man Endometriose diagnostizieren?

Schindlbeck: Oft bringen die Frauen eine jahrelange Leidensgeschichte mit, bis in der frauenärztlichen Praxis der Verdacht aufkommt und die Diagnose gestellt wird. Häufig besteht auch ein unerfüllter Kinderwunsch, der dann zur Abklärung führt. Die Endometriose kann die Eileiter betreffen und dort zu Verwachsungen und Verklebungen führen, so dass der Schwangerschaftseintritt erschwert ist. Auch deshalb ist eine frühzeitige Diagnose so wichtig, um die Endometriose nicht chronisch werden zu lassen und die Schwangerschaftschancen zu erhalten. Hierzu gehört immer ein Ultraschall, gelegentlich auch eine Kernspintomographie des Beckens (MRT). Den letztendlichen Nachweis erbringt jedoch nur eine operative Bauchspiegelung. Bei diesem ambulanten Eingriff wird in Narkose eine Kamera in den Bauchraum eingebracht, eine Gewebeprobe entnommen und die Endometrioseherde möglichst vollständig unter Sicht entfernt. Bei unerfülltem Kinderwunsch kann auch eine Durchspülung der Eileiter erfolgen, um die Chance auf Schwangerschaft zu erhöhen.

Wir hier an der Frauenklinik der Kliniken Südostbayern führen derartige Eingriffe etwa 10–15-mal pro Woche durch.

Wie kann die Gynäkologie helfen und gibt es neue Behandlungsmethoden oder Medikamente?

Schindlbeck: Auch hier hat sich einiges entwickelt und wir haben mittlerweile ein breites Behandlungsspektrum. Schon die Einnahme der „Pille“ kann die Schmerzen verbessern, was aber bei Kinderwunsch natürlich nicht möglich ist. Daneben gibt es medikamentöse Therapien zur Linderung der Schmerzen. Oftmals helfen auch konservative Maßnahmen oder pflanzliche Präparate. Ganz neu ist ein Medikament, das erst letztes Jahr im Oktober zugelassen wurde. Dieser Wirkstoff greift, wie die „Pille“, ebenfalls in den Hormonhaushalt der Frau ein und entzieht den Endometrioseherden die zum Wachstum erforderlichen Hormone, ähnlich dem natürlichen Verlauf nach den Wechseljahren. Allerdings ist dieses Medikament aktuell nur für Patientinnen zugelassen, die schon eine Hormontherapie oder eine Operation hatten und trotzdem noch Beschwerden haben.

Ist eine Schwangerschaft denn trotz Endometriose möglich?

Schindlbeck: Die Endometriose kann zu Verklebung oder Verschluss der Eileiter führen. Bei unerfülltem Kinderwunsch sollten die frauenärztlichen Praxen deshalb, nach Ausschluss anderer Ursachen, immer eine Bauchspiegelung mit Überprüfung der Eileiter-Durchgängigkeit empfehlen. Die gute Nachricht ist, dass selbst bei verschlossenen oder entfernten Eileitern durch die Möglichkeit der künstlichen Befruchtung (IVF) hohe Schwangerschaftsraten und vergleichbare Geburtenraten erreicht werden können wie bei spontanem Schwangerschaftseintritt.

Haben Sie noch Hinweise für die Frauen?

Schindlbeck: Generell gilt, je früher die Diagnose gestellt wird und die Therapie beginnt, desto besser. Darum nochmals mein Appell: Bitte gehen Sie immer regelmäßig zu Ihrer Gynäkologin oder Ihrem Gynäkologen und sprechen Sie Ihre Beschwerden an. Durch eine individuelle Behandlung kann die Lebensqualität erheblich gesteigert werden, sowohl die physische als auch die seelische.