Unser Gesundheitsthema
Bauchspeicheldrüsenkrebs - warum Menschen bei Verdacht sofort reagieren sollten
Je früher, desto besser

Im Vergleich zu Darmkrebs, die bei Frauen zweithäufigste und bei Männern dritthäufigste Krebserkrankung, gibt es in ganz Deutschland jährlich ungefähr 18.500 Fälle von Bauchspeicheldrüsenkrebs, Tendenz steigend, und steht damit an 6. Stelle der häufigsten Tumorerkrankungen bei Frauen und an 7. Stelle bei Männern. Doch anders als bei Brust-, Prostata- oder Darmkrebs wird diese Tumorart oft erst spät erkannt. Das führt dazu, dass Pankreaskrebs, der bereits im Frühstadium rasch Metastasen bildet, bei einer Diagnose oft bereits weit fortgeschritten sein kann.
Ein Gespräch mit Dr. Helen Bauer, Oberärztin der Gastroenterologie und Koordinatorin des Darmkrebszentrums und des Schwerpunktes Pankreas am Klinikum Traunstein.
Frau Dr. Bauer, warum ist Pankreaskrebs so gefährlich?
Dr. Bauer: Da das Pankreaskarzinom lange keine Symptome auslöst, wird es leider oft erst sehr spät erkannt. Es bildet früh Metastasen und kommt selbst nach einer Therapie häufig zurück. Das führt dazu, dass Tumoren der Bauchspeicheldrüse – obwohl deutlich seltener als Darmkrebserkrankungen – äußerst schwierig zu behandeln sind. Das Risiko daran zu erkranken, steigt zwar im höheren Alter, ist allerdings auch schon ab etwa 45 Jahren gegeben.
Wie können die Menschen denn das Risiko vermindern?
Dr. Bauer: Generell ist eine gesunde Lebensweise mit viel Bewegung und abwechslungsreicher Ernährung mit hohem Anteil pflanzlicher Lebensmittel die beste Vorsorge. Zu den wichtigsten Risikofaktoren zählen Rauchen und Alkoholkonsum und sollten daher vermieden werden. Auch Adipositas, Diabetes mellitus und bestimmte Vorerkrankungen zählen dazu. Und es gibt ein gewisses Risiko durch genetische Veranlagung.
Und auf welche Symptome sollten die Menschen achten, um diese Tumorart frühestmöglich zu erkennen?
Dr. Bauer: Symptome treten erst in einem relativ späten Stadium auf. Da wären zu nennen: ein unerwarteter Gewichtsverlust, Nachtschweiß, eine Gelbfärbung der Haut und der Augen, zudem Schwäche, Schmerzen und Appetitlosigkeit. Diese unspezifischen Symptome können aber natürlich auch bei vielen anderen, harmloseren Erkrankungen auftreten, sodass hier eine weitere Abklärung erfolgen sollte. Auch eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse ohne klare Ursache kann Vorbote eines Pankreaskarzinoms sein. Bei beschwerdefreien Patienten steht leider bisher auch kein sinnhaftes „Screening“ zur Verfügung. Weder in der Bildgebung, wie Computertomografie, MRT (Kernspintomografie), Ultraschall, oder mit Tumormarkern lassen sich die Frühstadien sicher entdecken.
Wohin sollten sich Menschen wenden, die die oben genannten Symptome an sich bemerken?
Dr. Bauer: Sie sollten auf jeden Fall zeitnah zu ihrem Arzt oder Ärztin gehen, dort kann im Ultraschall eine mögliche Erkrankung erkannt werden. Wir haben in unserer Region eine hervorragende Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen, daher werden die Menschen auch schnell an uns überwiesen für die weitere Abklärung, denn je früher die Patientinnen und Patienten zu uns kommen, desto besser sind die Chancen einer Behandlung. Wir im viszeralonkologischen Zentrum für Darm- und Pankreaskrebs am Klinikum Traunstein führen dann eine umfassende Ausbreitungsdiagnostik (Staging) mittels CT, endoskopischem Ultraschall und gegebenenfalls ein ERCP (Gallengangsspiegelung) durch. Bei unklarem Befund wird auch eine Gewebeprobe aus dem Tumor entnommen und an unsere Pathologie im Hause geschickt, um die Diagnose zu sichern. Die Ausbreitungsdiagnostik ist essentiell, um unseren Patienten die für ihre individuelle Situation passende Therapie anbieten zu können.
Und wie geht es im Klinikum weiter für die Menschen?
Dr. Bauer: Das Klinikum Traunstein hat ein großes „Zertifiziertes Onkologisches Zentrum der Deutschen Krebsgesellschaft“. Zu diesem zählen auch das viszeralonkologische Zentrum mit Darmkrebszentrum und Pankreaszentrum unter der Leitung von Dr. Björn Lewerenz, Chefarzt Innere Medizin und Gastroenterologie. Die stellvertretende Leitung hat Prof. Dr. Christian Jurowich, der neue Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie, inne. Das Darmkrebszentrum ist seit 2007 und das Pankreaskrebszentrum seit 2021 zertifiziert. Um nun die beste, auf jeden Patienten individuell abgestimmte Therapieform zu ermitteln, besprechen wir jeden einzelnen Patienten in der wöchentlichen Tumorkonferenz des Onkologischen Zentrums: In diesem Forum sind die Kolleginnen und Kollegen der Hämatologie und Onkologie, der Gastroenterologie, der Chirurgie, der Radiologie, der Strahlentherapie, der Pathologie sowie unsere niedergelassenen Kooperationspartner anwesend und bringen ihre Expertise ein. Wir haben auch gemeinsame internistisch-chirurgische Stationen, sodass wir im Haus eine sehr enge Kooperation und interdisziplinäre Betreuung unserer Patienten pflegen.
Aus den Ergebnissen der Tumorkonferenz ergibt sich dann das weitere, passgenaue Vorgehen, um die Patientinnen und Patienten bestmöglich zu therapieren, denn bei Pankreaskrebs ist das lebenswichtig. Im frühen Stadium ist die primäre operative Versorgung die Therapie der Wahl, meist in Form einer sogenannten „Whipple“-OP oder einer Pankreaslinksresektion – je nach Lokalisation des Tumors. Diese Operationen sind extrem schwierig und sollten nur an einem zertifizierten Zentrum durchgeführt werden, in denen die Operateure, so wie in Traunstein, über die entsprechende Erfahrung verfügen. Im Anschluss wird aufgrund des hohen Rezidivrisikos, also des Wiederauftretens des Tumors, eine Chemotherapie durchgeführt. Im sogenannten „lokal fortgeschrittenen“ Stadium, also wenn bereits Lymphknotenmetastasen vorliegen oder der Tumor nicht mehr komplett operativ zu entfernen ist, wird noch vor der Operation eine Chemotherapie durchgeführt, um die Tumormasse zu reduzieren. Danach wird in der Tumorkonferenz wieder diskutiert, ob der Tumor so gut auf die Therapie angesprochen hat, dass nun eine Operation möglich ist. Für den Fall, dass sich schon Metastasen in anderen Organen gebildet haben, z. B. in Leber oder Lunge, haben wir verschiedene Möglichkeiten der Chemotherapie. Sehr am Herzen liegt uns auch die seelische und soziale Betreuung unserer Patientinnen und Patienten in diesen belastenden Situationen. Unsere Psychoonkologen und unser Sozialdienst sind für die Menschen ansprechbereit, vermitteln den Kontakt zu Selbsthilfegruppen und geben Hilfestellungen bei Problemen in der häuslichen Versorgung.
Gibt es Entwicklungen in der Forschung?
Dr. Bauer: Für Karzinome im metastasierten Stadium wird momentan an „targeted therapies“, also molekularbiologisch gezielten Therapien, geforscht. Hierfür wird das Tumorgewebe auf bestimmte Mutationen hin überprüft, an denen neue Therapiemöglichkeiten, wie z. B. Immuntherapien, angreifen können. Durch die Immuntherapie, sogenannten „Checkpoint-Inhibitoren“ wird das Immunsystem des Körpers stimuliert, um die Tumorzellen zu bekämpfen.
Frau Dr. Bauer, Hand aufs Herz, ist Pankreaskrebs heilbar?
Dr. Bauer: Zur Wahrheit gehört, dass Pankreaskrebs nur in sehr frühem Stadium operabel ist und damit vollständig entfernt werden kann. Selbst in diesen frühen Stadien und bei kompletter Entfernung des Tumors besteht leider ein hohes Risiko eines Rezidivs in den folgenden Jahren. Im metastasierten Stadium können wir den Krebs mit den modernen Therapien zurückdrängen und unseren Patientinnen und Patienten damit Lebenszeit und Lebensqualität schenken, eine Heilung ist dann leider nur noch in Einzelfällen möglich.
Wie werden die Menschen begleitet, wenn der Pankreaskrebs schon unheilbar ist?
Dr. Bauer: Wir bieten sowohl am Klinikum Traunstein als auch an der Kreisklinik Bad Reichenhall eine intensive Palliativ-Betreuung an für Menschen mit schwerer, nicht heilbarer Erkrankung und begrenzter Lebenserwartung. Auch eine Versorgung zu Hause mit Hilfe eines ambulanten Palliativ-Teams ist möglich, um möglichst viel Zeit im häuslichen Umfeld mit den Angehörigen verbringen zu können und gleichzeitig schnelle Linderung bei Symptomen der Erkrankung zu erhalten. Die „spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV)“ ist ein engagiertes Team aus Palliativärzten, Palliativpflegekräften, Sozialarbeitern und Seelsorgern, das Krebs-Patienten und Angehörige in den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land zu Hause unterstützt. Ziel ist immer die Verbesserung der Lebensqualität durch Lindern von Schmerzen, von Atemnot, Unruhe und Angst oder anderer belastender Beschwerden körperlicher, seelischer und spiritueller Natur. Wir arbeiten eng mit unseren Kooperationspartnern zusammen, um den Menschen und die Angehörigen in dieser Phase des Lebens angemessen zu begleiten: mit dem Netzwerk Hospiz, dem Ambulanten Hospizdienst Traunstein, dem Hospizverein Berchtesgadener Land, oder dem Chiemseehospiz Bernau. Wichtig ist uns im viszeralonkologischen Zentrum, dass sich die Menschen und ihre Angehörigen in allen Abschnitten ihrer Tumorerkrankung nicht allein gelassen fühlen und einen Ansprechpartner haben, wenn es um Fragen der Therapie, der Prognose sowie der körperlichen, seelischen und der häuslichen Situation geht.
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