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Der lange Weg von Bettina Seifert aus Anger

v.l. PD Dr. Jens Rachinger, Chefarzt der Neurochirurgie am Klinikum Traunstein und die Patientin Bettina Seifert aus Anger
v.l. PD Dr. Jens Rachinger, Chefarzt der Neurochirurgie am Klinikum Traunstein und die Patientin Bettina Seifert aus Anger

Das ist die Geschichte von Bettina Seifert aus Anger, die zum dritten Mal Hirntumoren operieren lassen musste – und im Klinikum Traunstein mit dem Neurochirurgen Priv.-Doz. Dr. Jens Rachinger endlich den richtigen Arzt und Operateur gefunden hat.

Im Januar 2019 bemerkt Bettina Seifert, dass sie Schwierigkeiten hat, das Gleichgewicht zu halten und auf einem Bein zu stehen. Aber sie denkt sich nichts dabei, ein Schwindeltest zeigt nur leichte Auffälligkeiten. Sie fährt in den Urlaub, doch dort verschlimmern sich die Gleichgewichtsstörungen so stark, dass sie kaum mehr geradeaus gehen kann. Außerdem ändert sich ihr Geschmackssinn radikal: „Salziges hat geschmeckt als würde ich pures Salz essen, und Süßes, als äße ich puren Zucker.“ Das alles macht ihr Angst. Zurück in ihrem damaligen Wohnort München wird in einer großen Münchener Klinik Anfang März ein MRT durchgeführt: Diagnose Meningeom im Kleinhirnbrückenwinkel links mit einem Durchmesser von 4,2 cm, das definitiv operiert werden muss. Meningeome sind zumeist langsam wachsende Tumoren, die von den Hirnhäuten ausgehen und ab einer gewissen Größe das Gehirn komprimieren. Sie machen bei ca. 8 Neuerkrankungen/Jahr/100.000 Einwohner rund 35 % der Tumore des zentralen Nervensystems aus.

Das Meningeom wird in München operiert

Bis zum Operationstermin am 27. März 2019 verschlimmert sich ihr Zustand. Sie erinnert sich: „Ich konnte kaum noch das Gleichgewicht halten und kaum noch etwas essen, auch Wasser schmeckte nach purem Eisen. Dadurch verlor ich innerhalb kürzester Zeit massiv an Gewicht. Ich bin 1,80 m groß und brachte nur noch 52 kg auf die Waage.“ Daher muss in der Klinik zunächst mit Infusionen dafür gesorgt werden, dass ihr Körper eine Operation überhaupt aushält. Nach dem fast siebenstündigen Eingriff sagt der Operateur, dass das Meningeom sehr nah am Hör- und im Gesichtsnerv lag und er daher nicht alles entfernen konnte. Seine gute Nachricht ist, dass das Meningeom gutartig ist, WHO Grad 1.

Trotz allem ist Bettina Seifert erleichtert. Nach dem dreiwöchigen Krankenhausaufenthalt geht die gebürtige Stuttgarterin in die Reha, sie kommt dort zu Kräften, die Gleichgewichtsstörungen werden besser und auch der Geschmackssinn normalisiert sich, doch sie entwickelt extreme Schlafstörungen. Sie bleibt mit MRT-Terminen alle 6 Monate in der Überwachung – und hat immer Angst, dass da wieder etwas sein könnte. Ihre berufliche Tätigkeit fällt ihr durch diese quälenden Ängste zunehmend schwerer, sie verkürzt ihre Arbeitszeit.

Bettina Seifert wechselt ins Klinikum Traunstein

Beim Kontrolltermin in München im Dezember 2022 bestätigen sich ihre schlimmsten Befürchtungen: das operierte Meningeom ist wieder leicht gewachsen und muss behandelt werden. In der Zeit zieht sie von München nach Anger, um dem Stress der Großstadt zu entfliehen. Darum geht sie für die weitere Behandlung ins Klinikum Traunstein. Dr. Wolfgang Weiss, Oberarzt der Strahlentherapie, führt im März 2023 mit seinem Team die Behandlung durch: Strahlentherapie mit fast 30 Sitzungen. Das nächste turnusgemäße MRT soll zeigen, inwieweit der Tumor auf die Therapie angesprochen hat – und er kann Entwarnung geben, die Größe des Tumors hat sich nicht verändert. Aber Bettina Seiferts bohrende Ängste wachsen, ob sich eventuell neue Meningeome gebildet haben könnten.

Ein neues Tumorgeschehen

Und wieder erweisen sich ihre Ängste als berechtigt: Beim Kontroll-MRT im August 2024 im Klinikum Traunstein wird festgestellt, dass der bereits bestrahlte erste Tumor in der Größe gleichgeblieben ist, sich aber ein neues Meningeom in der gleichen Hirnregion gebildet hat. Auf einen Rat eines Bekannten hin, mit dem sie zusammen bei der Tafel in Teisendorf ehrenamtlich Dienst tut und der seinerseits schon die besten Erfahrungen mit dem Operateur gemacht hatte, vereinbart sie einen Termin mit dem Chefarzt der Neurochirurgischen Abteilung im Klinikum Traunstein, Priv.-Doz. Dr. Jens Rachinger: „Dieses neue Tumorgeschehen lag an der Basis der hinteren Schädelgrube neben dem Hinterhauptsloch und damit nicht so kritisch an Gesichts- und Hörnerv wie das erste Meningeom von Frau Seifert. Doch durch das rasante Wachstum dieses neuen Tumors war eine zeitnahe Behandlung erforderlich.“ Bettina Seiferts zunehmende Angstzustände drehen sich darum, dass sie nach einer Operation vielleicht nicht mehr aufwacht, die Schlafstörungen werden immer extremer.

Was ihr ungemein hilft ist, dass PD Dr. Rachinger sich sehr viel Zeit für sie nimmt und ihr alles genau erklärt. Sie fühlt sich gut aufgehoben. Und er ist ehrlich zu ihr: „Aufgrund der vorherigen Operation war die Situation bei Frau Seifert etwas erschwert durch die Narbenbildung.“ Im September 2024 führt der erfahrene Neurochirurg die Operation durch: Alles verläuft gut, bereits nach einer Woche kann sie die Klinik verlassen. Die Einstufung des Tumors ist wieder: gutartig, WHO Grad 1. Allerdings wird von den Pathologen des Hirntumorreferenzzentrums in Bonn schon eine erhöhte Wachstumsaktivität des Tumors gesehen, die ihn in die Nähe eines WHO Grad 2 rückt.

Der alte Tumor ist wieder aktiv

Die niederschmetternden Nachrichten für die 59-Jährige reißen nicht ab: Am 17. Januar 2025 hat sie den nächsten MRT-Kontrolltermin im Klinikum Traunstein. PD Dr. Rachinger muss ihr beim Besprechungstermin sagen, dass das erste, bereits im März 2019 in München operierte und im März 2023 bestrahlte Meningeom wieder aktiv ist. Er erklärt ihr, warum eine Operation unerlässlich ist: „Das Meningeom im Kleinhirnbrückenwinkel zeigte rasches Wachstum. Dadurch war es sehr wahrscheinlich, dass dieser Tumor unbehandelt in naher Zukunft Ausfälle betreffend das Gefühl und die Bewegung der linken Gesichtshälfte sowie das Gehör und die Augenbewegung verursacht hätte. Auch eine Gangstörung und eine Lähmung der rechten Körperhälfte können durch so einen Tumor entstehen.“

Wieder unendliche Angst, und die Symptome verstärken sich innerhalb kürzester Zeit: „Während ich auf die Operation am 2. April 2025 wartete, begannen Taubheitsgefühle auf der linken Zungenhälfte und der linken Seite meines Gesichts im Mundbereich, im Nasenbereich und unter dem linken Auge. Ich musste mich damit auseinandersetzen, dass eine dritte Operation in meinem Kopf bevorstand. Und zwar ganz nah an Hör- und Gesichtsnerven; das hat mir fast den Boden unter den Füßen weggezogen.“

Eine hochkomplizierte Operation mit gutem Ausgang

Bei dieser, auch für langjährig erfahrene Operateure, sehr kritischen und hochkomplizierten Operation wurden die Nervenfunktionen mittels eines sogenannten elektrophysiologischen Monitorings überwacht. PD Dr. Rachinger erläutert: „Dabei werden z.B. die elektrischen Phänomene, die bei der Weiterleitung eines akustischen Reizes über das Ohr und den Hörnerven zum Hirnstamm entstehen, aufgezeichnet. So kann ich als Operateur erkennen, wenn eine Schädigung des Hörnervens droht. Über Elektroden in der Gesichtsmuskulatur kann man hingegen Informationen über den Zustand des Nervus facialis, der für die Bewegung des Gesichtes zuständig ist, erhalten. Auch hilft eine Stimulationselektrode, welche in das Operationsgebiet neben dem Hirnstamm eingebracht werden kann, bei der Identifikation des Nervens und seiner Abgrenzung zum Tumor hin. Die Chancen für eine maximale Tumorentfernung unter Erhaltung der Funktionsfähigkeit der nervalen Strukturen werden durch diese aufwändige Technik nachweislich erhöht. So konnte bei Frau Seifert nun auch ein großer Teil des Kleinhirnzeltes, des Tentoriums, von welchem der Tumor ausging, mit entfernt werden, was die Gefahr einer neuerlichen Tumorentstehung stark reduziert.“

Nach der neunstündigen Operation wacht Bettina Seifert auf: Sie hat keinerlei Beeinträchtigung des Hörnervs oder des Gesichtsnervs. Auch das Kontroll-MRT zeigt, dass alles sehr positiv ist. Sie sagt: „Ich bin Herrn PD Dr. Rachinger unendlich dankbar, dass er alles komplett entfernt hat und dass alles so gut ausgegangen ist. Wichtig war für mich außerdem, dass er immer offen und ausführlich mit mir gesprochen hat, das hat mir sehr viel Sicherheit gegeben.“ PD Dr. Rachinger erläutert: „Letztlich erwartungsgemäß wurde der Tumor durch das Hirntumorreferenzzentrum nun als WHO Grad 2 eingestuft. Frau Seifert hat weitere, allerdings unkritischere Meningeome, darum muss sie weiterhin alle drei bis sechs Monate zum MRT kommen, wir wollen das engmaschig überwachen.“

In guten Händen

Bettina Seifert darf das Klinikum Traunstein bereits nach einer Woche wieder verlassen und im Mai 2025 in eine Reha-Klinik gehen: „Meine Ängste sind nach wie vor groß. Ich wache nachts schweißgebadet auf und habe Konzentrationsstörungen. Allerdings fällt es mir leichter als früher, mich nicht davon überwältigen zu lassen und es geht mir allgemein sehr gut. Ich weiß, dass ich bei Herrn PD Dr. Rachinger und in der Neurochirurgischen Abteilung des Klinikums Traunstein in sehr guten Händen bin. Auch der menschliche Aspekt dort ist wunderbar. Jeder hat ein freundliches Wort, und man fühlt sich wirklich gut aufgehoben. Ich bin mir sicher, hier war und bin ich richtig.“