Unser Gesundheitsthema

Fettstoffwechselstörungen

Die stille Gefahr für das Herz-Kreislauf-System

Sie sind weitverbreitet und unbedingt ernst zu nehmen: Fettstoffwechselstörungen, ob erblich bedingt oder erworben, verursachen keine Schmerzen, können aber zu lebensbedrohlichen Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall führen. „Fettstoffwechselstörungen müssen rechtzeitig erkannt und behandelt werden, einmal im Leben sollte man seine Cholesterinwerte bestimmen lassen, um zu wissen, wo man steht“, so Prof. Carsten Böger, Chefarzt der Nephrologie, Diabetologie und Rheumatologie am Klinikum Traunstein. Im Interview erklärt der Nephrologe und Lipidologe Diagnose und Therapie gestörter Blutfettwerte.

Was sind Fettstoffwechselstörungen und welche Formen gibt es?

Prof. Carsten Böger: Fettstoffwechselstörungen zeigen sich durch eine veränderte Konzentration der Blutfettwerte. Die bedeutendsten Fette im Blut, sogenannte Lipide, sind Cholesterin und Triglyzerid. Bei einer Fettstoffwechselstörung können entweder nur die Cholesterinwerte gestört  sein oder auch der Triglyzeridwert. Möglich ist auch eine Erhöhung des Fett-Transportproteins Lipoprotein (a). Wir unterscheiden zwischen primären, also familiär bedingten, und sekundären, also erworbenen Fettstoffwechselstörungen. Einer von dreihundert Menschen leidet unter einer familiären Hypercholesterinämie: Der erhöhte Cholesterinspiegel im Blut ist eine der häufigsten genetisch bedingten Stoffwechselerkrankungen. Hier ist das „schlechte“ Cholesterin, das LDL-Cholesterin, in Folge eines Gendefektes stark erhöht.  Familiäre Fettstoffwechselstörungen zeigen sich in den verschiedensten Varianten und Kombinationen. Sekundäre Fettstoffwechselstörungen  werden durch Erkrankungen wie Diabetes oder eine gestörte Schilddrüsenfunktion oder auch den Lebensstil erworben. Übergewicht etwa kann zu erhöhten Werten des Gesamtcholesterins und der Triglyzeride führen. Auch bei den erworbenen Fettstoffwechselstörungen ist die Hypercholesterinämie die häufigste Form.

Wie äußern sich Fettstoffwechselstörungen und wer sollte achtsam sein?

Prof. Böger: Fettstoffwechselstörungen tun nicht weh. Am häufigsten fallen sie Kardiologen, Neurologen oder Angiologen auf, wenn der Patient einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall hatte. Bei 75 bis 80% Prozent der Herzinfarktpatienten unter 60 Jahren werden erhöhte Cholesterinwerte festgestellt,  rund die Hälfte davon ist erblich bedingt. Wenn der Vater schon mit 50 Jahren einen Herzinfarkt hatte, sollte man sich schon im Alter zwischen 20 und 30 Jahren seine Cholesterinwerte testen lassen.  Vererbte Formen zeigen sich häufig durch Hautknoten an den Fingergelenken oder Ellenbogen,  Fetteinlagerungen unter dem Auge oder einen weißen Ring an der Regenbogenhaut. Auch die Periphere Arterielle Verschlusskrankheit, im Volksmund Schaufensterkrankheit genannt, bei der das Gehen Schmerzen in den Beinen bereitet, kann ein Hinweis sein.  Fettstoffwechselstörungen sind einer der Risikofaktoren für die Entstehung einer Arteriosklerose, also Gefäßverengung durch die Einlagerung von Blutfetten an den Innenwänden der Arterien. Diese kann zu Herzinfarkt, Schlaganfall oder anderen Durchblutungsstörungen führen.

Wie werden Fettstoffwechselstörungen diagnostiziert?

Prof. Böger: Im Rahmen eines ausführlichen Gesprächs und einer Untersuchung wird auf das familiäre Risiko und die oben beschriebenen Hautsymptome geachtet. Mittels der Entnahme einer Blutprobe können im Labor die Werte für Gesamtcholesterin, HDL- und LDL-Cholesterin, Triglyzeride sowie Lipoprotein(a) bestimmt werden. In manchen Fällen können auch nach entsprechender Aufklärung genetische Zusatzuntersuchungen nötig sein.

Wie erfolgt die Behandlung – und warum ist sie unbedingt angeraten?

Prof. Böger: Fettstoffwechselstörungen müssen behandelt werden, damit sie nicht zu lebensbedrohlichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall führen oder sich nach diesen Ereignissen weiter verschlechtern. Ob Primär- oder Sekundärprävention, die Therapie berücksichtigt immer die individuelle Situation jedes Patienten. Meine Erfahrungen decken sich mit den Leitlinien deutscher und internationaler Kardiologie- und Gefäß-Gesellschaften: Je niedriger der Spiegel des LDL-Cholesterins, desto besser ist dies für den Patienten. Bei der Therapie steht der persönliche Therapiezielwert des Patienten im Fokus, der je nach Begleiterkrankungen unterschiedlich hoch sein kann. Eine Beratung für eine passende Diät und mehr Bewegung im Alltag sind immer Teil der Behandlung, medikamentös werden vor allem Statine zur Senkung des LDL-Cholesterins eingesetzt. 70 bis 80 Prozent aller Menschen kommen mit diesen cholesterinsenkenden Tabletten gut zurecht. Wir haben aber noch weitere Therapiemöglichkeiten wie zum Beispiel Kombinationsbehandlungen aus mehreren Medikamenten. Erfreulicherweise sind in den letzten Jahren zahlreiche neue, hocheffektive Medikamente entwickelt werden, so dass auch Patienten mit einer Statinunverträglichkeit eine sichere und verträgliche cholesterinsenkende Therapie erhalten können. Nur eine Handvoll Patientinnen und Patienten, meist mit Lipoprotein (a)-Hyperlipidämie, benötigen als „ultima ratio“ die Lipidapherese, also eine Blutreinigung zur Entfernung der Fette im Blut.

Sie helfen in Ihrer Lipid-Ambulanz bei komplexen Fragestellungen?

Prof. Böger: Ja, Lipidologen sind Spezialisten auf dem Gebiet der Fettstoffwechselstörungen. In der Regel jeden Donnerstagvormittag oder nach Bedarf stehe ich nach Anmeldung für die Beratung von ihrem Hausarzt überwiesener Patienten zur Verfügung. Häufige Fragestellungen sind zum Beispiel die Unverträglichkeit von Statinen, das Verfehlen des Zielwertes unter dem aktuellen Medikament, die Abklärung ungewöhnlicher Laborbefunde oder die Indikationsstellung eines der neuen Cholesterinsenker. Ziel differenzierter Untersuchungen und individueller Beratungen sind immer maßgeschneiderte Therapiekonzepte.

Kann man Fettstoffwechselstörungen vorbeugen und wenn ja: wie?

Prof. Böger: Bei den vererbbaren Formen kann man ohne Medikamente relativ wenig tun, außer auf eine cholesterinarme, fettreduzierte Ernährung zu achten. Ansonsten ist jedem zu empfehlen, den Schutz der Gefäße immer im Auge zu behalten: Also nicht rauchen, Übergewicht vermeiden, Bluthochdruck und Diabetes behandeln. Fettstoffwechselstörung, Bluthochdruck, Blutzucker und Übergewicht sollten nicht isoliert betrachtet, sondern nebeneinander gesehen werden. Neben einer ausgewogenen, ballaststoffreichen  Ernährung mit möglichst wenig tierischem Fett sind körperliche Aktivitäten immens wichtig. Schon wer täglich eine halbe Stunde am Tag ununterbrochen zügig geht, tut seinem Körper viel Gutes. Gewichtsabnahme und Diät können die Blutfettwerte um zehn bis 30 Prozent absenken.

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Nephrologie Klinikum Traunstein
Prof. Dr. Carsten Boeger
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